Jeden Tag werden in Deutschland 54 Kinder und Jugendliche Opfer von sexuellem Missbrauch, so Bundesinnenministerin Nancy Faeser. Laut Bundeskriminalamt sind die Fallzahlen seit 2019 um 20 Prozent gestiegen. Warum ist das möglich? Ein Erzieher z. B. wird über 40 Jahre hinweg an verschiedenen Orten Deutschlands immer wieder des sexuellen Missbrauchs an Kindern verdächtigt und angezeigt.
Trotzdem bleibt er über Jahrzehnte im Dienst mit Kleinkindern - hauptsächlich in einer Gemeinde in Bayern. Seine mutmaßlichen Taten verjähren, Ermittlungsverfahren werden wieder eingestellt und von den Verdachtsfällen bleiben nur Gerüchte. „Zu viele. Zu viele Vorfälle. So viele haben was gesehen und bemerkt. Aber es hat keine Konsequenz gegeben“, sagt Ulrike Stahlmann-Liebelt, ehemalige Staatsanwältin und Expertin für Opferschutz.
Diese Dokumentation zeigt das systemische und institutionelle Versagen beim Schutz von Kindern vor Missbrauch und Gewalt. Personalmangel, mangelnde Professionalität in den Einrichtungen und wenig Bewusstsein für Schutzkonzepte sind einige der Ursachen, weshalb es immer wieder zu Missbrauchstaten kommt. Die Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Kerstin Claus, bemängelt: „Ich finde es schon frustrierend, um das mal lapidar zu sagen, dass wir wahrscheinlich auch als Gesellschaft mehr Ahnung davon haben, zu überprüfen, welches Auto welche Kriterien erfüllen muss, damit ich es kaufe. Statt dass wir wissen, welche Kriterien muss ich erfüllen, um ein Kind sachgerecht zu schützen.“
Die BR Story baut auf der Dokumentation „Verschickungskinder. Missbrauch und Gewalt bei Kinderkuren“ (ARD 03.07.2023) auf. Darin werfen zwei Männer jenem Erzieher vor, sie in den 80er-Jahren in einem Kinderkurheim in Niendorf an der Ostsee sexuell missbraucht zu haben. Autorin Lena Gilhaus zeigt: Der Fall des Erziehers ist symptomatisch für ein System, das Kinder nicht ausreichend schützt.