Interview Harry G – „Granteln ist eine gute Sache, weil man sich vieles von der Seele reden kann.“

Harry G nimmt in seinem Programm „HoamStories“ spitzbübisch grantelnd alle aufs Korn: ob Jogger, Urlauber oder Tesla-Fahrer – niemand ist vor ihm sicher. Bei TVinfo erklärt er, warum sich der Grantler so gut in verschiedenen Lebenswelten auskennt und warum er ungefährlich ist …

Harry G

TVinfo: Willkommen, Harry G. Willkommen, Markus Stoll. Was hat es für Vorteile, nicht unter eigenem Namen aufzutreten?

Harry G: Das ist tatsächlich mittlerweile kein Vorteil mehr, weil im Grunde genommen jeder den Namen Harry mit mir verbindet. Für Menschen, die ich privat bzw. persönlich gut kenne, bin ich Markus, für alle anderen der Harry. Wie auch immer, ich reagiere auf beide Namen.

TVinfo: Wie kommt es, dass der Harry sich so extrem gut in den Lebenswelten auskennt, die er kritisiert?

Harry G: Na ja, ich bin ursprünglich aus dem Investmentbereich, ein sogenannter BWLer. Da kennt man sich natürlich in der Schickeria aus, über die ich Witze mache. Und ich bin Münchner, also jemand, der mit dem Preißn, ich nenne sie Isar-Preißn, lebt und sie so gut einordnen kann. Auf meine Weise, versteht sich. Wenn ich mich Themen „widme“, dann schaue ich in der Regel ganz genau hin. Egal, ob es um Hundebesitzer, Radler, Camper, Jogger oder Yoga-Amseln geht, ich bin dann im Thema. Das ist Ehrensache.

TVinfo: Was genau hast du im Investmentbanking gemacht?

Harry G: Controlling. Ich habe Fonds-Verwaltung gemacht. Das ist ein relativ unspannender Beruf gewesen, aber auch nicht schlecht, eine gute Erfahrung. Ich habe mich dann irgendwann umentschieden und über ein paar Umwege den Abflug in Richtung Comedy gemacht.

TVinfo: Wo steht Harry eigentlich politisch?

Harry G: Der Harry G steht eigentlich nirgendwo politisch, und das ist mir auch wichtig. Ich mache kein Kabarett und beziehe auf der Bühne auch keine politische Position. Ich stehe mit meinem Programm mitten im Alltag, da gehen einem die Themen nie aus, da braucht es keine politische Haltung. Lustig über Politik machen sich andere, und die machen es auch sehr gut.

TVinfo: Ist es eigentlich eine gute Charaktereigenschaft zu granteln?

Harry G: Ob es eine gute Charaktereigenschaft ist, weiß ich nicht. Es ist aber eine gute Sache, weil man sich vieles von der Seele reden kann. Granteln ist irgendwie ein Katalysator, um Dinge zu verarbeiten. Wenn ich etwas beobachte und es mich aufregt, dann muss das raus. Am besten auf der Bühne, das ist besser für das Familien- und Privatleben. (lacht)

TVinfo: Wäre also deine Empfehlung, dass wir mehr granteln sollen?

Harry G: Das muss man sich auch erlauben können, das ist nicht immer einfach. Deshalb freuen sich meine Fans ja, wenn ich sage, was sie eigentlich gerne sagen würden, aber aus Gründen nicht können. Wer wagt sich schon, seinem Chef zu sagen, dass er von nix viel Ahnung hat?

TVinfo: Sind Grantler angenehme Zeitgenossen?

Harry G: Sie sind ungefährlich. Hunde, die bellen, beißen nicht. Es sind keine unangenehmen Zeitgenossen. Und wenn der Grantler auf einen anderen Grantler trifft, dann ergänzen sie sich gut. Das Prinzip nennt man Stammtisch.

TVinfo: Sind vor dem Grantler alle Menschen gleich?

Harry G: Grundsätzlich ja. Wobei ich mich nicht über Schwächere bzw. Randgruppen auslasse, das ist mir wichtig. Natürlich darf Humor alles, du musst dann aber auch mit dem Echo leben können. Und ich brauche gewisse Pointen auch nicht, mein Programm funktioniert auch ohne sehr gut.

TVinfo: Wie weltoffen ist der Harry?

Harry G: Erstmal wirkt der Harry sehr weltfremd, aber nur auf den ersten Blick, das ist sowas wie sein USP. Tatsächlich aber sind Tradition und Weltoffenheit gleichermaßen präsent in jedem meiner Programme.

TVinfo: Was ist ein Isarpreiß?

Harry G: Der Isarpreiß ist ein in München lebender Nicht-Bayer, der unheimlich gerne in der Schickeria – der Welt der Schönen und Reichen – dazugehören möchte. Der ist gekommen, um zu bleiben, der macht nicht nur Urlaub wie der gemeine Preiß. Der Isarpreiß ist für mich Grantler ein Segen, mit unerschöpflichen Themen, an denen man sich abarbeiten kann.

TVinfo: Wie wichtig nimmt sich Harry selber?

Harry G: Darüber denkt der Harry gar nicht nach. Der nimmt sich nicht wichtig, der ist, wie er ist. Punkt.

TVinfo: Wenn du auf Bühnen außerhalb Bayerns spielst, sprichst du dann zur bayerischen Diaspora oder zu den Preißn?

Harry G: Ich spreche zu beiden. Die einen kennen mich, weil sie mich aus ihrer Heimat kennen, die anderen kennen mich über Social Media. Wie auch immer, das Publikum ist bunt gemischt.

Harry G

TVinfo: Ist Harry liebenswürdig?

Harry G: Ja, wenn sich die Gelegenheit bietet. Also eher selten. (lacht) Vieles, was der Harry so aufgreift, bespricht er aber eher mit einem Augenzwinkern. Wenn ich auf der Bühne einem Gast 20 Euro anbiete, damit er sich schleicht, dann ist das selbstredend nicht ernst gemeint.

TVinfo: Du hast vor Harry auch schon Social Media produziert? Was genau?

Harry G: Das war damals noch sehr neu, dass man sich selber filmt und dann auf YouTube postet. Ich habe damit viel und gern experimentiert und 2013 mit einem Clip über die Wiesn – für die Preißn, die das lesen: Das Oktoberfest – einen viralen Erfolg gelandet, der letztendlich der Kick-off für Harry G war. 5 Monate später hatte ich Premiere mit meinem ersten eigenen Bühnenprogamm „Leben mit dem Isarpreiß“.

TVinfo: Vor kurzem ist ein Dokument von Mister Beast geleakt worden, nach welchen Kriterien er seine Videos konstruiert. Wie sehr konstruierst du deine Videos? Wie sehr achtest du darauf, dass die viral gehen können?

Harry G: Ich achte darauf Null. Ich achte auf das Thema. Ich achte darauf, wie das Video gefilmt ist. Und mehr nicht.

TVinfo: Für dich war Social Media der Karrierestart. Manche machen Social Media für die politischen Tumulte unserer Zeit verantwortlich. Wie siehst du das?

Harry G: Das eine schließt das andere nicht aus. Social Media ist neben viel Unterhaltung und Interaktion auch eine wichtige Informationsquelle ... von seriös bis unseriös, wahr bis unwahr. Auch alle Medienhäuser sind da vertreten, da ist Social Media nicht mehr wegzudenken. Es ist natürlich ein Wandel, dass sich da jeder jederzeit äußern kann, im Guten wie im Schlechten. Und ja, ich glaube, dass Social Media definitiv dafür sorgt, dass viel mehr aufgestachelt wird.

TVinfo: Harry G soll unpolitisch sein. Wie sieht das mit Markus Stoll aus?

Harry G: Ich möchte nicht in die Politik, falls du das meinst. Ich habe schon zwei Jobs, einen als Comedian und einen als Familienvater, mehr geht nicht. Tatsächlich bin ich natürlich an Politik interessiert, aber ehrlicherweise gerade nicht mit großer Begeisterung. Aus Gründen ...

TVinfo: Zum Abschluss drei assoziative Vervollständigungssätze: Wenn meine Kinder Harry G statt Markus Stoll als Vater hätten, dann ...

Harry G: … würde ein ganz anderer Wind wehen. Dann gäbe es wesentlich mehr Ansagen. Bzw. die Ansagen würden immer befolgt. (lacht)

TVinfo: Dass ich jemals unter meinem eigenen Namen auftreten werde ...

Harry G: … ist unwahrscheinlich. Das tue ich nur als Schauspieler. Aber es kann sein, dass ich mal ohne Hut auftrete oder ein paar andere Dinge ausprobiere.

TVinfo: Falls Harry sich doch einmal politisch engagieren würde, dann ...

Harry G: … sicher zum Wohle der Allgemeinheit. Hilfeleistung für Menschen in Not, aus welchen Gründen auch immer. Am allermeisten zerreißt es mir das Herz, dass Kinder Hilfe brauchen.

TVinfo: Herzlichen Dank für das Gespräch!

Das Gespräch führte Markus Pins am 07.11.2024 in Köln.

Fotos: Christian Kehls

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